Du möchtest Menschen über Mythen aufklären? Dann verschweige den Mythos!
Hast du auch schon häufig versucht andere Menschen davon zu überzeugen, dass viele vegane Mythen nicht wahr sind?
Wie du sicherlich schon weißt, enthält eine gut durchdachte und abwechslungsreiche vegane Ernährung alle notwendigen Mikronährstoffe, inklusive ausreichend Protein. Dennoch wird manchmal der Mythos verbreitet, dass eine vegane Ernährung einen Proteinmangel verursacht. Oftmals wird versucht solche Mythen in der Mythos-Fakt Darstellung zu entkräften.
Hier wird zuerst der Mythos benannt und danach werden die Fakten erläutert, weswegen der Mythos nicht wahr ist. Es wird sich dann erhofft, dass der Leser oder Zuhörer die Fakten im Gedächtnis behält und den Mythos in Zukunft als Mythos erkennt. Leider ist dem nicht so.
Zuerst ein Screenshot einer Beispieldarstellung einer Mythosaufklärung von der Seite Veganuary.
Hier ist klassisch zu sehen, wie zuerst der Mythos des Östrogenanstiegs und der Testosteronabsenkung durch Sojaprodukte benannt und daraufhin ein Teasertext mit der Faktendarstellung, weswegen der Mythos nicht stimmt, gezeigt wird. Durch einen Klick auf den Link kommt man zur ausführlichen Faktenerläuterung.
In einer Studie von Ian Skurnik und Nobert Schwarz wurde untersucht, wie Probanden die Fakten nach dem Mythos-Fakten-Schema im Bewusstsein behielten.
Mythos-Fakten-Schema
- Benennung des Mythos
- Erläuterung der Fakten, weshalb der Mythos nicht stimmt
Als Thema wurden die weit verbreiteten Grippeimpfungsmythen ausgesucht, welche leider in der Bevölkerung häufig geglaubt werden, was durchaus tödlich enden kann. Als Ergebnis konnte festgehalten werden, dass die Probanden unmittelbar nach der Faktendarlegung den Mythos als auch die Fakten auseinanderhalten konnten.
Aber nur 30 Minuten später war dem nicht mehr so. Nach 30 Minuten war den Probanden nur noch der Mythos bewusst und hielten diesen für einen Fakt. Diese Skizze veranschaulicht es.
In unserem Beispiel würdest du zuerst dem Anderen sagen, dass der Mythos existiert, welcher vegan lebenden Menschen einen Proteinmangel unterstellt. Nun würdest du dem Anderen die Fakten aufsagen weswegen dem nicht so ist.
Du würdest ihm sagen, dass es hervorragende pflanzliche Proteinquellen wie Tofu, Hülsenfrüchte, etc.. gibt, weswegen ein Proteinmangel keine Gefahr darstellt.
Nun erhoffst du dir, dass der Andere deine Fakten im Kopf hat und den Mythos des Proteinmangels bei veganer Ernährung in Zukunft direkt als solchen entlarvt.
Wie oben aufgezeigt ist dem nur leider nicht so. Vielmehr glaubt der- oder diejenige noch stärker an den Mythos, dass eine vegane Ernährung einen Proteinmangel verursacht.
Dieser Effekt wird familiarity backfire effect genannt. Das, was als erstes genannt wird, wird im Bewusstsein gespeichert und die erst dahinter folgenden Fakten verschwimmen mit der Zeit.
Am Ende der Studie war es so, dass die Probanden mehr Mythen verinnerlicht hatten als zu Studienbeginn, obwohl man genau das Gegenteil erwartet hatte. Dieser Effekt erinnert an den Streisand-Effekt.
Exkurs: Streisand-Effekt
Beim Streisand-Effekt geht es darum, dass eine Information umso mehr Reichweite generiert, je stärker man diese bekämpfen und unterdrücken möchte. Ein Fotograf hatte ein Foto vom Anwesen der Barbara Streisand geschossen und im kleinen Rahmen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Barbara Streisand war damit nicht einverstanden und wollte mit allen Mitteln verhindern, dass das Foto weiterhin öffentlich zugänglich ist. Doch erst nachdem bekannt wurde, dass Barbara Streisand versuchte das Foto zu unterdrücken, wurde das Foto erst richtig bekannt und die Öffentlichkeit interessierte sich plötzlich dafür, was vorher nicht der Fall gewesen ist.
Hätte Barbara Streisand nichts getan, wäre das Foto für die breite Masse unbekannt geblieben.
Um den familiarity backfire effect nicht zur Entfaltung kommen zu lassen, empfiehlt sich das Fakten-Mythos-Schema.
Fakten-Mythos-Schema
- Benennen des Fakts
- Begründung, weswegen der Fakt ein Fakt ist
- Erwähnung des Mythos
- Begründung, weswegen der Mythos nur ein Mythos und der Fakt ein Fakt ist
Schauen wir uns nun die konkrete Darstellung anhand unseres Proteinmangelmythos bei Veganern an.
1. Benennung des Fakts
Zuerst sollte der Fakt erwähnt werden. In unserem Fall also der Satz:
Eine vegane Ernährung stellt eine mehr als ausreichende Proteinversorgung sicher.
2. Begründung, weswegen der Fakt ein Fakt ist
Nun wird erläutert, weswegen der Fakt ein Fakt ist. In unserem Beispiel könnte es so aussehen:
Eine vegane Ernährung stellt eine mehr als ausreichende Proteinversorgung sicher, da es viele hervorragende pflanzliche Proteinquellen wie Tofu, Hülsenfrüchte, etc.. existieren und somit problemlos eine ausreichende Proteinaufnahme bei rein pflanzlicher Ernährung gewährleistet ist.
An dieser Stelle kann im Idealfall auch Schluss sein. Der Mythos sollte im nachfolgenden Punkt nur erwähnt werden, wenn es wichtig ist diesen einzubeziehen. Das kann beispielsweise dann der Fall sein, wenn du den Mythosglauben eines anderen entkräften möchtest.
Wenn du jedoch weißt, dass jemand mit einem bestimmten Mythos noch nicht in Kontakt kam, dann ist es besser den Mythos gar nicht mehr zu erwähnen. Die Punkte 3. und 4. entfallen in einem solchen Fall.
3. Erwähnung des Mythos
Erst nachdem die Fakten erläutert wurden, wird jetzt der Mythos erwähnt. Beispielsweise so:
Manchmal wird behauptet, dass eine vegane Ernährungsweise zu einem Proteinmangel führt.
4. Begründung, weswegen der Mythos nur ein Mythos und der Fakt ein Fakt ist
Nun wird kurz ausgeführt, weswegen der Mythos existiert und darauffolgend nochmals mit Fakten erläutert, warum der Mythos nur ein Mythos ist. Das kann so aussehen:
Dieser Mythos existiert, da pflanzliche Lebensmittel im Schnitt weniger Protein als tierische Lebensmittel beinhalten. Da jedoch vegan lebende Menschen häufig proteinreiche pflanzliche Lebensmittel wie Tofu, Hülsenfrüchte, Getreide wie Haferflocken, uvm. zu sich nehmen, ist eine mehr als ausreichende Proteinversorgung gegeben.
Mit dieser Vorgehensweise bleibt der Fakt beim Anderen im Bewusstsein und nicht mehr der Mythos. Diese Skizze veranschaulicht es.
Das hilft Tieren ungemein. Denn jeder Mythos gegen die vegane Lebensweise, welcher geglaubt wird, ist eine Barriere für Menschen die vegane Lebensweise auszuprobieren oder dieser positiv gegenüberzustehen.
Benenne und begründe den Fakt als ERSTES und, wenn notwendig, erst SPÄTER den Mythos.
Erinnerst du dich noch an den prophezeiten Weltuntergang des Maya-Kalenders? Nach diesem sollte der Interpretationsart einiger Menschen nach die Welt am 21.12.2012 untergehen. Wie heute bewiesen ist, hat der Weltuntergang nicht stattgefunden und zu der Zeit haben auch viele Artikel dieses Weltuntergangsmythos entkräften wollen.
Nur wurde meistens das Mythos-Fakt-Schema verwendet, weswegen der Weltuntergangsmythos durch die aufklärenden Artikel nicht geschwächt, sondern vielmehr gestärkt wurde.
Immer mehr Menschen kannten den Mythos nun und glaubten ihn. Wäre mehr nach dem Fakt-Mythos-Schema aufgeklärt worden, dann wäre dieser Mythos wohl nie so berühmt geworden und weit weniger Menschen hätten diesen als wahr empfunden.
Fazit
Versuche in Zukunft Mythen nach Möglichkeit gar nicht erst zu erwähnen. Wenn es nicht anders geht und der Mythos erwähnt werden muss, dann erwähne ihn nicht zuerst, sondern erst nach dem Fakt und seiner Begründung.
Damit erreichst du, dass die Menschen, die du aufklären möchtest, auch den Fakt im Bewusstsein behalten und nicht noch stärker an den Mythos glauben.
John Cook und Stephan Lewandowsky haben dieses Thema im englischsprachigen Debunking Handbook ausführlich erläutert.
ByeBye :-)
Dein Matthias
Zusammenfassung
Mythen in der Form entkräften zu wollen, in dem zuerst der Mythos benannt und dann durch Fakten entkräftet wird, führt nur dazu, dass der Mythos durch die Anfangserwähnung als wahr empfunden wird.
Entkräftest du den Mythos jedoch in der Form, in dem du zuerst den Fakt benennst, diesen erläuterst, und erst danach den Mythos erwähnst, bleibt der Fakt im Gedächtnis.
Und hier das Video zum Artikel
Tags: Familiarity Backfire Effect, Mythenwiderlegung, Mythos-Fakt-Schema, Psychologie, Vegan